Publikation: Elena Vogman – Dance of Values
Veröffentlichung von Elena Vogmans Buch Dance of Values. Sergei Eisenstein’s Capital Project
Dance of Values beschäftigt sich mit bisher unveröffentlichtem Archivmaterial des sowjetischen Regisseurs Sergej Eisenstein (1898-1948). Insbesondere die zwischen 1927-1928 entstandenen Tagebücher werden eine intensiver Betrachtung unterzogen. In diesem Zeitraum widmete sich Eisenstein intensiv der filmischen Adaption von Karl Marx' Kapital. Diese geplante Adaption ist im doppelten Sinne phantomhaft: Obwohl sie nie zur Realisierung fand, beflügelt sie bis heute die Vorstellungskraft vieler Filmemacher, Historiker und Schriftsteller. Und schließlich, stellt sie – zusammengesetzt aus bisher fehlenden Bildern und Arbeitsmaterialien – Eisensteins erste öffentliche „Materialisierung“ dar. Dance of Values zielt darauf ab, das „Phantom des Kapitals“ erneut zu beschwören; dieses Mal jedoch auf Grundlage des vollen Umfangs des Kapital-Archivkörpers: In über 500 Seiten Notizen, Artikelplänen, Zeitungsausschnitten, Zeichnungen und Zitatsammlungen zeichnet sich das Bild einer „visuellen Anleitung in der dialektischen Methode“, wie Eisenstein sie selbst nannte, ab.
Elena Vogman untersucht die intern-formalen Notwendigkeiten, welche Eisensteins Entscheidungen für eine bestimmte Adaptionsweise des Kapitals zugrundeliegen. Sie argumentiert, dass die visuelle Komplexität sowie die epistemische Wirkung in der Verfasstheit des Materials selbst liegen: ein Tanz zwischen heterogenen Thematiken und disparaten Fragmente, ein nicht-linearer, provisorischer und nicht-artikulierter Strom. Die in Dance of Values erstmals veröffentlichten Sequenzen des Archivmaterials sind keine bloßen Illustrationen, sondern bilden eigenständige visuelle Argumente, welche zu einem anschaulichen Verständnis Eisensteins Kapital, verstanden als visuelle Werttheoretisierung, beitragen. Eisensteins Montagesequenzen erzeugen nach einem unzweideutigen, morphologischen Verfahren einen Mehrwert eigener Art: einen semiotischen Überschuss, der die Materialien und dargestellten Körper in einen Tanz versetzt, der Marx' „Tanz“ der „versteinerten Zustände“ entspricht. In eben jener polymorphen und „diffusen“ Sprache – dem Bewusstseinsstrom von Joyces Ulysses nahestehend –, sah Eisenstein das stärkste kritische und affektive Potential für das Kino der Zukunft. In seiner formalen Notwendigkeit erlaubt eine genaue Lektüre von Eisensteins Archiv nicht nur die Rekonstruktion morphologischer Elemente, die in Marx' Werttheorie enthalten sind, sondern auch die Theoretisierung einer grundlegenden Krise der politisch-medialen Repräsentation – eine Aktualität, die sich ausgehend von ihrem historischen Kontext bis heute erstreckt.
Dance of Values erscheint Ende September 2019 englischsprachig in der Reihe Think Art bei diaphanes. Es ist als Taschenbuch und in digitaler Version für je 35€ zu erwerben.