Anderes Wissen in künstlerischer Forschung und ästhetischer Theorie

Das Netzwerk Anderes Wissen in künstlerischer Forschung und ästhetischer Theorie bringt im Zeitraum August 2017 bis Oktober 2022 individuelle Forschungsprojekte in einen Dialog, der die epistemische Bedeutung von Kunst auf die ästhetischen Bedingungen und Formationen der Theoriebildung bezieht und umgekehrt. Ausgehend von der These, dass die Wissensproduktion in den Künsten, die heute unter dem Begriff der künstlerischen Forschung firmiert, ihr strukturelles Pendant in einer Reflexion auf die ästhetischen Bedingungen der Theoriebildung hat, wird in beiden Feldern gemeinsames anderes Wissen angenommen.
Nachdem sich die bildende Kunst dem Wissen ebenso geöffnet hat wie die kunstbezogenen Wissenschaften die medialen Bedingungen und ästhetischen Formen ihrer eigenen Artikulation zumindest teilweise berücksichtigen, werden die Austauschbewegungen, Konvergenzen und Divergenzen zwischen Kunst und ästhetischer Theorie erforscht. Indem wir das Wissen der Künste systematisch in ein Wechselverhältnis mit künstlerischer Theorie bringen, deren Formen ebenso porös geworden sind wie die der bildenden Kunst, werden die gegenseitigen Anleihen einer forschend verfahrenden Kunst und einer ästhetisch verfahrenden Theorie freigelegt. In der Konsequenz bildet sich eine geisteswissenschaftliche Antwort auf die Herausforderung der künstlerischen Forschung heraus. Mit dieser Antwort möchte das Netzwerk unter Einbezug künstlerischer Positionen sowie durch Publikations- und Ausstellungsformate der Etablierung einer gefestigten Beziehung zwischen künstlerischer Forschung und geisteswissenschaftlicher Praxis dienen.
Das Netzwerk geht erstens von der These aus, dass man es heute, angesichts der epistemischen Bedeutung der Kunst und der ästhetischen Bedingtheit der Theoriebildung, mit einer Neuaufteilung des Feldes des ästhetischen Wissens zu tun hat, in dem sich ein dritter Bereich eines anderen Wissens zwischen Kunst und Theorie konstituiert. Zweitens nimmt das Netzwerk an, dass diese Emergenz mit einer paradigmatischen Verschiebung in der Reflexion über Kunst einhergeht, die sich von ästhetischen Begriffen zu denen des Wissens verlagert: Kunst manifestiert sich heute zunehmend als epistemische Praxis; das ästhetische Regime der Kunst wird durch ein epistemisches Regime ergänzt, in dem nicht primär neues positives Wissen gewonnen, sondern mit anderen Erkenntnispraktiken experimentiert wird: Dieses andere Wissen der Kunst korrespondiert drittens mit anderen Erkenntnispraktiken in der Theorie, deren Episteme ebenfalls ästhetisch verfasst ist, nicht nur in Bezug auf ihre Darstellungsbedingungen, sondern auch in Bezug auf die Materialität, Medialität und Performanz ihrer Artikulation.
Daher wird zu diskutieren sein, wie sich durch die gegenseitigen Anleihen und Übersetzungen zwischen Kunst und Theorie das neue Feld eines anderen Wissens herausbildet und differenziert, das nicht nur die künstlerische Forschung, sondern ebenso die Theoriebildung der philosophischen Ästhetik, der Kunst-, Medien- und Kulturwissenschaften betrifft und neue experimentelle Praktiken prägt.

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© Sophia Wagener