Wissen und Wahrsprechen in feministischer Praxis
Das Projekt widmet sich Fragen des Geständnisses und der Selbst-Vergewisserung, ausgehend von der Beobachtung, dass die neue Präsenz des Feminismus in öffentlichen Diskursen sich immer wieder medienspezifischer Inszenierungen des Geständnisses bedient – etwa zuletzt besonders emblematisch und in einem Moment maximaler Verdichtung und Verknappung im Medium des Hashtags (#metoo), einer geständnisgebundenen Inszenierung weiblicher Solidarität und feministischer Mobilisierung. Die Ausgangsfrage ist, ob die oft dramatisch zugespitzte aber auch reduziert Geste des Geständnisses dabei die Rolle einer empirischen Grundlegung, einer Ausweisung authentischen Wissens oder unbedingter Glaubhaftigkeit, oder gar identitätspolitischer Siglen spielt, oder ob sie ein viel komplexeres Verhältnis zur Frage eines ‚anderen Wissens’ eingeht. Insbesondere möchte ich zeigen, dass diese aktuelle Funktion der Geständnisgesten (sowie anderer Formen der Selbstvergewisserung, z.B. Judith Butlers Ethik der Verwundbarkeit) nur im Hinblick auf seit den 1960er Jahren entwickelte künstlerische Praktiken zu verstehen ist. Die Kunst jener "Second Wave" des Feminismus stellt einen direkten Bezug zwischen Bloßlegung des Körpers, des Traumas, der Sexualität und einem oft mit ‚consciousness raising‘ bezeichnetem Anspruch zur Wissensproduktion her. Für die Verhandlung der erst aus künstlerischen Beispielen zu erschließenden Polyvalenzen des Geständnisses sollen insbesondere psychoanalytische Ansätze befragt werden – so die von Jacques Lacan elaborierte Beziehung von Sprechen, Genießen und Wissen –, aber auch die radikale Kritik der Psychoanalyse, die Michel Foucault mit dem Vorwurf des Geständniszwangs verbunden hat.